Resolution

Betrifft: Minimierung der allgemeinen Elektrobelastung

Die Elektrifizierung in unserer Umwelt hat einen Grad erreicht, der bei einem wachsenden Teil der Bevölkerung eine gesundheitliche Beeinträchtigung bzw. Schädigung zur Folge hat; es handelt sich nicht mehr um Einzelfälle. Diese Situation und die zu erwartende weitere Expansion in der Technik ist Anlass für diese Resolution.

Der Schutz für Mensch, Tier und Pflanze ist mit der Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV vom 1.1.1997) nicht erreicht worden. Die Verordnung bedarf einer grundlegenden Neufassung auf der Basis neuester Forschungsergebnisse, aber auch der Einbeziehung der Erfahrungserkenntnisse aus der Praxis.

Die Bildung von Grenzwerten muss neben Wärmewirkungen auch die gesundheitlich wichtigeren nichtthermischen Wirkungen berücksichtigen, außerdem das bereits heute existierende “Multifrequenzspektrum” und die Umweltgesamtbelastung, der die Bevölkerung ausgesetzt ist (das sind in diesem Zusammenhang vor allem die Schwermetall- und chemischen Belastungen). Der Gedanke, sich an der Natur zu orientieren, darf wieder Eingang finden.

Die Zeit ist reif für eine offene Diskussion und gemeinsame Anstrengungen aller in das Thema involvierten Institutionen und Initiativen — demokratischen Gepflogenheiten folgend. Bei der Weiterentwicklung von Geräten, Systemen und Anlagen ist dem gesundheitlichen Aspekt (“biologisch verträglich”) Vorrang vor ökonomischen Zielsetzungen einzuräumen.Vordringlich ist die Diskussion um neue Systemlösungen auf dem Hochfrequenzgebiet, insbesondere Mobilfunk und schnurlose Haustelefone; dabei wäre zum Beispiel zu denken an geringere Leistungen, Verzicht auf Pulsung, Verzicht auf steile Flanken, Einschränkung unerwünschter Nebenaussendungen. Die Erfahrung mit den neuen schnurlosen Haustelefonen nach dem DECT-Standard ist derart negativ und die Zahl der gesundheitsbedingten Reklamationen so groß, dass ein Verbot gefordert werden muss.

Im übrigen lehrt die Erfahrung mit den Mobilfunksystemen D und E sowie den schnurlosen Haustelefonen (DECT), wie wichtig längerfristige Feldversuche vor einer flächendeckenden Einführung sind.

Forschungsseitig muss die Zeitkonstante in ihrer Wirkweise berücksichtigt werden (Spätreaktionen), analog den Erfahrungen in der Toxikologie (chronische und akute Toxizität).

Dies vorangestellt fordern die Unterzeichner:

  • Die Aufnahme des Vorsorgeprinzips und die Einbeziehung der Nachhaltigkeit in die Verordnung; mit einem Minimierungsgebot, dem ALARA-Prinzip “as low as reasonable achievable = so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar” folgend. Unter “vernünftigerweise” ist zu verstehen:
    – nach dem letzten Stand der Technik,
    – nach gesundheitlichen und ökologischen Gesichtspunkten und nicht wie bisher vorzugsweise nach ökonomischen.
  • Ein Minimierungsgebot, dass sich auch auf nicht gewerblich genutzte Anlagen sowie elektrische und elektronische Geräte bezieht.
  • Die Festlegung von Grenzwerten, die dem Anspruch genügen, einen Schutz für die Bevölkerung darzustellen; es sind Vorsorgegrenzwerte  zu bilden, die Größenordnungen unter denen der Verordnung vom 1.1.1997 liegen müssen. Solange noch keine systematische Forschung erfolgt ist, muss man sich analog zu den Regeln der Erfahrungsmedizin an den Werten aus der  Praxis orientieren. Hier – im Kreis der betroffenen Personen (vertreten von Betroffenen-Initiativen, Bundesverband gegen Elektrosmog, Baubiologie, Umwelt- und Verbraucherverbänden) – haben sich folgende Orientierungswerte entwickelt (Stand Oktober 1999), die u.a. auch für zukünftige Systementwicklungen Richtlinie sein müssen:

Für die Allgemeinbevölkerung bei Dauereinwirkung

  Wachbereich Ruhe- und Schlafbereich
Niederfrequenz (bis 2kHz)    
Elektrische Feldstärke (gegen Erde gemessen) 10 V/m 1 V/m
Magnetische Flussdichte 100nT 20nT
Hochfrequenz    
Ungepulste Strahlung    
Elektrische Feldstärke 200 mV/m 20 mV/m
Leistungsflussdichte 10 nW/cm² 0,1 nW/cm²
Gepulste Strahlung    
Elektrische Feldstärke 20 mV/m 2 mV/m
Leistungsflussdichte 0,1 nW/cm² 0,001 nW/cm²

 

  • Besonders sensible Personen wie Kinder, alte Menschen, Kranke, Abwehrgeschwächte können, so zeigt die Erfahrung, auch auf elektromagnetische Einflüsse unterhalb dieser Orientierungswerte reagieren. Eine Kennzeichnungspflicht der elektromagnetischen Emission von elektrischen und elektronischen Geräten (bei ein- und ausgeschaltetem Zustand) sowie eine Informationspflicht bei Großanlagen (Hochspannungsleitungen, Sender u.a.).
  • Die Aufstellung von Emissions- und Immissionskatastern.
  • Die Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung auch für Stromversorgungs- und Sendeanlagen mit entsprechenden, zu wiederholenden Kontrollen.
  • Planfeststellungs- und Genehmigungsvoraussetzungen unter Einschluss der Öffentlichkeit.
  • Die Schaffung von Schutzzonen in Krankenhäusern, Kurkliniken, Schulen, Kindergärten, reinen Wohngebieten. In Krankenhäusern sollten für sensible Personengruppen besonders belastungsarme Räume eingerichtet werden; die Benutzung drahtloser Telefone und deren Feststationen sind hier generell zu untersagen.
  • Die Einrichtung eines interdisziplinären und unabhängigen Forschungsrats.
  • Die Umkehr der Beweislast.

Die Resolution wird getragen von:

  • Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Pesch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Umwelt- und Humantoxikologie e.V., Würzburg
  • Interdisziplinäre Gesellschaft für Umweltmedizin e.V., Bad Säckingen
  • Ökologischer Ärztebund, Bremen
  • Institut für Umweltkrankheiten, Bad Emstal
  • Dr. Lebrecht von Klitzing, Lübeck
  • Dr. Ulrich Warnke, Saarbrücken
  • Bundesverband gegen Elektrosmog e.V., Hohenstein
  • Bürgerwelle e.V., Tirschenreuth, Dachverband der Bürger und Initiativen zum Schutz vor Elektrosmog
  • Baubiologie Maes, Neuss
  • Arbeitsgemeinschaft für Wohn- und Baubiologie e.V., Heidelberg
  • Berufsverband Deutscher Baubiologen VdB e.V., Lauf
  • Politischer Arbeitskreis von Patienten-Initiativen Umwelterkrankter, München
  • Selbsthilfeverein für Elektrosensible e.V., München
  • Arbeitskreis für Elektrosensible e.V., Bochum
  • Selbsthilfegruppe Elektrosmog, Bayreuth

Verabschiedet im Vorfeld zum Bürgerforum “Elektrosmog” des Bundesministeriums für Umwelt am 19.10.99 in Bonn

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